Vom Tapeziertisch zum „Imperium“

Es sei ihm „eine Freude und Ehre“, sagte Markus Schier. Merklich bewegt nahm der Spielwarenhändler am Mittwochabend in der Stadthalle aus den Händen von Bürgermeister Dr. Alexander Berger den Ahlener Wirtschaftspreis 2020 entgegen, coronabedingt mit zwei Jahren Verzögerung. Mit der Auszeichnung wollten Stadt, WFG und „Pro Ahlen“ auch Schiers Mut anerkennen, nach dem Brand in seiner Firma 2019 nicht aufzugeben.
Der große Moment, auf den Preisträger und Laudatoren zwei Jahre warten mussten (v.l.): Udo Hinkelmann (WFG), Timm Ostendorf („Pro Ahlen“), Stefan Deimann (WFG), Markus Schier mit Ehefrau Phyllis und Bürgermeister Dr. Alexander Berger. Ulrich Gösmann

AhlenDie Corona-Pandemie – vor zwei Jahren der Grund für die Verschiebung – ist immer noch nicht vorbei und die nächste Krise schon da. Dennoch war es am Mittwochabend nun mal an der Zeit, die Verleihung des Ahlener Wirtschaftspreises 2020 an Spielwarenhändler Markus Schier und seine „Rappelkiste“ nachzuholen. Das Orga-Team der WFG, die Stadthalle und der Preisträger selbst schufen dafür ei­nen stimmigen Rahmen. Statt ei­nes langatmigen Festvortrags erwartete die rund 170 Gäste ein kurzweiliges Programm mit diversen Showeinlagen und Überraschungsmomenten, das zu moderieren auch Tobias Häusler vom WDR sichtlich Vergnügen bereitete. Nicht nur er fühlte sich ein wenig in die eigene Kindheit zurückversetzt inmitten von Spiderman, Benjamin Blümchen, den Minions und anderen Fantasiefiguren, die von der Bühne Besitz Ergriff hatten. „Leibhaftig“ wohnte sogar „Mister Mo­nopoly“ der Veranstaltung bei.

Die kleinen Gimmicks auf den Tischen im Saal verwiesen symbolträchtig auf die Anfänge der „Rappelkiste“, die Dr. Alexander Berger in seiner Laudatio in Erinnerung rief. Der Bürgermeister zitierte aus einem Brief, den sein Vorvorgänger Günter Harms 1997 von Markus Schier bekommen hatte. Darin beklagte sich dieser höflich, aber bestimmt darüber, dass ihm seit drei Jahren ein Standplatz auf dem Stadtfest verwehrt werde, um „Leuchtartikel“ zu verkaufen. Dabei könne er „als Jungun­ter­neh­mer“ doch „ein bisschen Hilfe gebrauchen“, und er würde „natürlich“ auch Standmiete bezahlen. „Nur drei Monate später“, löste Berger auf, ohne dabei eine Miene zu verziehen, habe das Bürgermeisterbüro Schier damals schließlich die Erlaubnis erteilt.

Der Brief an Harms enthalte jedenfalls in der Rückschau Hinweise auf all die Eigenschaften, die Markus Schier auszeichneten, stellte Berger fest und nannte Hartnäckigkeit, Zielstrebigkeit sowie die Fähigkeit, Trends rechtzeitig zu erkennen und aus „fixen Ideen“ lukrative Geschäftsmodelle zu entwickeln. Dabei sei Schier stets bescheiden und bodenständig geblieben und habe so sein „Imperium“ Schritt für Schritt aufgebaut, auch im Bewusstsein seiner Verantwortung für die Mitar­beiter. Markus Schier, so Berger, habe das Herz auf dem rechten Fleck, und die Stadt Ahlen könne „glücklich sein, Unternehmer mit dieser gelebten Haltung zu haben“. Ausdrücklich dankte der Bürgermeister für Schiers Unterstützung des Stadtfestes, auf dem er längst nicht mehr mit ei­nem Tapeziertisch stehe, sondern mit seinen Einfällen für die Deko, ob mit Poolnudeln oder Schwimmringen, immer wieder zum einzigartigen Ambiente beitrage.

Beim Stadtfest ist auch der aus Argentinien stammende Akrobat El Goma schon aufgetreten. Mit seiner Jonglage-Show sorgte er zweimal im Verlauf des Abends ebenso für Unterhaltung wie der Kabarettist Thomas Philipzen, in Ahlen bekannt als Mitglied des „Storno“-Trios. Die Kindersendung „Rappelkiste“, erzählte er, sei in den 1970er- Jahren sein erstes Fernseherlebnis gewesen, sein erstes Spielzeug ein orangefarbener Kipper von Playmobil. Heute daddelten viele Kinder nur noch auf dem Handy herum, und die beste Methode, sie aus ihren Zimmern an den Esstisch zu locken, sei es, im Haus das W-Lan abzustellen.

Ein Smartphone kann aber durchaus nützlich sein, zum Beispiel, um ohne großen Aufwand ein Video zu drehen. Die „Kinderreporterinnen“ Melina, Elisa und Sophia hatten so bei der „Rappelkiste“ in den Büros und Lagerhallen ein paar Stimmen bei der Belegschaft eingefangen. Einhelliger Tenor: Markus Schier sei ein „cooler Chef“. Der sich in diesem Moment ein paar Tränchen aus den Augenwinkeln wischte. Und im nächsten, als er die Verleihungsurkunde und die Mammut-Skulptur endlich in den Händen hielt, darauf bestand, dass die ganze Truppe mit aufs Pressefoto kam: „Ich würde gerne mein Team bei mir haben.“ Dies sei für ihn „ein besonderer Abend“, sagte der Preisträger. Der größte Dank dafür, diese „Freude und Ehre“ erfahren zu dürfen, gebühre seinen Eltern.Verleihung des Ahlener WirtschaftspreisesUlrich Gösmann

von Von Peter Harke

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